"Die schönste Tour ist die Schneeschuhtour ..."
Nachdem Roland auf unserer Weihnachtsfeier Bilder der Kitzbüheler Alpen gezeigt hatte, stand für Detlef und mich fest: „Da fahren wir mit!“
Wir begannen unsere Reise mitten in der Nacht, um den Berufsverkehr bei München zu meiden. Eigentlich wollten wir um 1.00 Uhr losfahren, aber zum Leidwesen meines Mannes war ich „Frau“ und ließ ihn ungeduldig – fast eine halbe Stunde – warten. Mittags trafen wir in Aurich bei Kitzbühel ein. Vom Parkplatz aus folgten wir mit unserem Gepäck der Rodelbahn, die direkt zu unserer Unterkunft, der Bochumer Hütte, auch Kelchalm genannt, führte. Für Geübte sollte der Aufstieg 1,5 Stunden dauern, doch unsere Rucksäcke samt Schneeschuhen und der verschneite Waldweg ließen uns erst nach etwas mehr als 2 Stunden schweißgebadet an der Hütte eintreffen. Zu unserer Freude war die Gaststube schon geöffnet und wir durften Kaffee, Kuchen und Backerbsensuppe genießen.
Die Kelchalm gehört zu den ältesten Berghütten im Alpenraum und wurde einst als Unterkunft für Bergleute erbaut. Sie liegt auf 1432 m und ist urig und geräumig. Direkt neben der Hütte befindet sich noch ein alter Eingang zu einem Kupferstollen. Die bewirtschaftete Hütte sollte in den kommenden Tagen unser Stützpunkt sein. Nach und nach trudelten die anderen Schneeschuhgeher ein.
ZweiTeilnehmer zogen ihr Gepäck mit eigenen Schlitten hoch, was auf mich sehr anstrengend wirkte. Einer der beiden bekam den Spitznamen Husky! Wir bezogen zwei Lager mit Doppelstockbetten und den roten Wolldecken des Alpenvereins. Unsere Wanderwartin Erika hatte eine Überraschung im Gepäck. Die Gute überreichte Viktor am ersten Abend den silbernen Wanderpokal samt Fläschchen, das sie extra 4 km hochgetragen hatte. Spätestens beim Abendessen kannten sich alle Teilnehmer und Roland beschrieb den kommenden Tag. Für mich wurde es nur ein kurzer Abend. Während es in der Nacht schneite, holte ich endlich meinen versäumten Schlaf nach.
Beim Frühstück wurde Viktor zu meiner Überraschung von einer weiblichen Stimme aus der Küche mit einem „Guten Morgen, mein zarter Pfirsich!“ begrüßt. Hatte ich am Vorabend etwas verpasst???
Das für Berghütten ungewöhnlich späte Frühstück ließ unsere erste Tour gegen 9.30 Uhr starten. Wie eine Raupe stapften die 17 Teilnehmer hinter Roland her, der durch den unberührten Schnee spurte. Nach wenigen Metern hatten auch die Neulinge das Laufen mit den gezahnten, kralligen Schuhunterlagen erlernt. Der Weg führte uns auf 1760 m zum Laubkogel. Während der Tour begegneten wir keiner Menschenseele. Zum Erstaunen unseres Hüttenwirts kamen wir bereits kurz nach Mittag gut gelaunt von unserer Eingehtour zurück. Inzwischen wussten wir auch, wieso einer der Schlittenführer so viel Gepäck hatte. Martin hatte Geburtstag und wollte uns mit alkoholischen Getränken verwöhnen. In unserem Bettenlager lud er zu einem kleinen Umtrunk ein. Nach der Melodie „Laurentia, liebe Laurentia mein“ stimmte Viktor an: „Die schönste Tour ist die Schneeschuhtour – die Schneeschuhtour ist die schönste Tour. Der schönste Baum ist der Vogelbeerbaum“ … und viele weitere Reime führten zu einer sehr ausgelassenen Stimmung.
Als ich am zweiten Morgen aus dem Fenster schaute, lag 50 cm Neuschnee und um unsere Unterkunft war dichter Nebel. An diesen Tag führte Roland uns durch ein Nadelwäldchen, abwärts in ein Tal mit kleinen Bachüberquerungen und dann weiter stetig bergauf zur Oberkaseralm (1860 m). Unterwegs beeindruckte mich, wie Roland den Weg durch die scheinbar unberührte Landschaft fand. Erst wenige Meter vor der Alm fiel mir auf, dass der Nebel deutlich zugenommen hatte, und während der kurzen Pause direkt an der Alm wurde mir unwohl. Der Nebel war mittlerweile so dicht, dass ich mich nicht traute, allein um die Hütte zu gehen. Roland erkundete den weiteren Weg und war bereits nach wenigen Metern nicht mehr zu sehen. Da es ein GPS-Gerät gab, entschieden wir, weiterzugehen. „Wir müssen eng zusammenbleiben“, dachte ich. Steil bergauf ging es über Schneefelder weiter in Richtung Gipfel. Die Sicht betrug etwa 20 m. Für mich war klar: Alleine würde ich hier keinen weiteren Schritt machen.
Der Nebel hatte aber auch etwas Gutes. Wir nahmen nicht wahr, wie steil der Weg nach unten abfiel. Dann endlich wurde es weniger steil. Der kalte Wind peitschte um die Ecke und nachdem wir einen Wanderwegweiser vom Schnee befreit hatten war klar: nur noch wenige Meter! Auf dem letzten Stück zum Gipfelkreuz ließ der Nebel nach und es gab kurze Momente, in denen der Himmel aufriss. Für wenige Augenblicke erstrahlte die Schönheit der Kitzbüheler Alpen. Auf dem Gipfelkreuz des Saalkogels konnten wir zwischen den waagerecht gewachsenen Eisblumen die Höhenangabe 2006 lesen. Der Abstieg führte uns über den Gipfel des Rauber (1973 m) und weiter über schöne Schneefelder hinunter ins Tal. Der Nebel war verschwunden.
Am Abreisetag teilte sich die Gruppe in Schneeschuhgeher und Rodler. Zwei Teilnehmer waren ja mit Schlitten angereist, die zwischenzeitlich verschwunden waren, weil unser Hüttenwirt sie versehentlich vermietet hatte. Mit einem entspannten Abstieg ging unser Bergzauber dem Ende entgegen.
Schneeschuhwandern ist eine tolle Möglichkeit, winterliche Berge zu erkunden!
Vielen Dank an Roland, der unserer großen Gruppe eine wirklich schöne Zeit ermöglicht hat.
Fotos: Die Teilnehmer
Kategorie:
Bergsteigen