Gletscherkurs im Kaunertal - Vier Worte, die ein Kursteilnehmer nicht hören möchte
„Das – gefällt – mir – nicht!“, sagte Oliver, unser Kursleiter, mitten auf dem Gletscher. Um uns herum nur Nebel, Regen und gelegentlich ein Donner. War ich bis zu diesem Moment noch entspannt, änderten diese vier Worte einiges.
Um einen Bogen zum Anfang zu schlagen: Der Montag war der erste praktische Tag des Gletscherkurses im Kaunertal in Österreich. Am Abend zuvor trafen wir sechs Kursteilnehmer und Oliver uns zum ersten Mal gemeinsam im Gepatschhaus, um über die geplante Kurswoche, die Ausrüstung und das Wetter zu sprechen und die letzten Vorbereitungen zu treffen. Die Meteorologen waren zuversichtlich, was einen ruhigen Aufstieg über den Gepatschferner zur Rauhekopfhütte am Vormittag anging, unserem Ausgangspunkt für die kommenden Tage. Frohen Mutes und mit großer Vorfreude machten wir uns also auf den Weg, sollte es doch für einige für uns das erste Mal sein, auf einem Gletscher zu stehen. Wir, das sind neben Oliver Andrea, Bine, Petra, Julius, Philipp und ich, Julia.
Nach der Wanderung zur Gletscherzunge begannen wir doch an allen Vorhersagen zu zweifeln, als wir zeitgleich mit Steigeisen (von Bine auch liebevoll Eisenfüße genannt) auch Regenjacken und Regenhosen anziehen mussten. Was als kurzer Schauer begann, endete in einer Gewitter-Nebel-Mischung auf dem Gletscher, da der Weg zurück länger gedauert hätte. Aber – lange Rede, kurzer Sinn – wir mussten nicht aus Sicherheitsgründen in eine Spalte abseilen, sondern konnten, wenn auch pitschnass, bis zur Rauhekopfhütte auf 2731 Meter aufsteigen, an der wir von zwei großartigen Hüttenwirten empfangen wurden. Die beiden Journalisten Georg und Christian aus München übernahmen für zwei Wochen den ehrenamtlichen Dienst als Hüttenwirte und versorgten uns in den nächsten Tagen mit süßen und herzhaften Leckereien und spannenden Geschichten aus der Bergwelt.
In den folgenden Tagen brachen wir morgens nach dem Frühstück auf, um (fast) alles Wichtige über die Begehung von Gletschern zu erfahren und zu üben. Angefangen von den ersten Gehversuchen mit Steigeisen über das Eis, den Einsatz des Pickels in steilerem Gelände, Standplatzbau mit Eisschrauben und der Einrichtung eines Fixseils bis hin zur Kameraden- und Selbstrettung aus einer Gletscherspalte, übten wir so lange es das Wetter und die eigenen Kräfte hergaben. Auch das Begehen des Gletschers als Seilschaft übten wir, natürlich nicht, ohne vorher alle notwendigen Knoten aus dem Effeff zu beherrschen. Auch der Holzschuppen der Hütte durfte für Trockenübungen herhalten, um uns eine kleine Ruhepause vor Regen und Schnee zu gönnen und trotzdem das Ausbildungsprogramm zu verfolgen.
Am Nachmittag, nach wohlverdientem Kaffee und Kuchen, lernten wir von Oliver allerlei Nützliches über die Routenplanung, das Wetter, grundsätzliches Verhalten im Gebirge und über das eingesetzte Material. So konnten wir dank unseres neuen Wissens aus der Gletscherkunde erklären, an welchen Stellen sich Spalten bilden und warum sich im unteren Bereich des Gepatschferners ein großer Gletscherbruch befindet, von dem im Laufe der Woche einiges in sich zusammenfiel.
Während der Woche wurde uns bewusst, wie wichtig die Beobachtung des Wetters im Gebirge ist. Was für uns als Sommerurlaub angedacht war, entpuppte sich als ziemlich kalte und regnerische Episode. Welche Konsequenzen das nicht nur für die Tagesplanung haben kann, zeigte uns auch das Leben auf der Rauhekopfhütte. Der Gletscherbach fror zu, so dass die gespeicherten Wasservorräte langsam zu Neige gingen und wir Wasser sparen mussten (Zitat einer ungenannten Person: „Dann trinken wir halt mehr Bier.“). Bei dem unwirtlichen Wetter war es denn auch wenig verwunderlich, dass wir abends riesige Pfannen mit Bratkartoffeln oder Kaiserschmarrn verputzten und sich auch immer jemand für den Spüldienst fand, der mit einem Pflaumenschnaps aus dem Kaunertal belohnt wurde.
Die Gemütlichkeit der Hütte erlebte Petra einen Vormittag lang aus einer ganz anderen Perspektive. Sie übernahm die Rolle der Hüttenwirtin, feuerte die Öfen an, verköstigte pausierende Gäste und vergaß dabei nicht, jedem von uns ein Stück des rituellen Nachmittagskuchens zurückzulegen.
Gegen Ende der Woche zeichnete sich ab, dass drei Teilnehmer die Länge des Kurses überschätzt hatten. So kam es, dass Oliver mit Andrea, Bine und Petra am Freitag nach einer Begehung des oberen Gepatschferners mit der ganzen Gruppe ins Tal abstieg, während Julius, Philipp und ich noch einen Tag verlängerten, um an dem einzigen Sonnentag das neu erworbene Wissen anzuwenden und eine Hochtour zur Weißseespitze zu unternehmen. Dieser letzte Tag war für uns mit der Wanderung über den Gletscher als Seilschaft und einem phänomenalen Ausblick vom Gipfel ein großartiges Erlebnis, das uns beim Abstieg glatt vergessen ließ, wie furchteinflößend der Aufstieg bei Gewitter und Nebel gewesen war.
Vielen, vielen Dank an Oliver für den lehrreichen Kurs und die vielen Tipps und Tricks! Danke auch an die tolle Gruppe, die vermutlich so viele Unterhosen ins Gepäck schmuggelte, wie noch nie eine Gruppe zuvor! Ich zehre noch immer von dem Erlebten und muss häufig an das unglaubliche und magische Blau des Gletschers denken.
PS: Im Bayrischen Rundfunk lief im Sommer ein kurzer Bericht über die Rauhekopfhütte von unseren Hüttenwirten Christian und Georg, denen ebenfalls ein großer Dank gebührt, da sie uns eine tolle Zeit bescherten.
BR Mediathek, Rubrik Berge, Bergauf-Bergab vom 17.09.2017.
http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/bergauf-bergab/bb-rauhekopfhuette-huettenwirt-100.html
Fotos: Die Teilnehmer
Kategorie:
Bergsteigen