Meije - Direkte Südwand 2015

1. September 2015 - 9. September 2015
Andreas Dülberg


Philosophie-Exkurs: Warum sollen wir klettern?

Klettern ist charakterbildend, das haben wir doch immer schon gewusst. Natürlich gilt das auch fürs Bergsteigen. Wo ist der Unterschied? Unterscheiden will ich aber – nach Peter Brunnert [1] – sehr wohl den „Real-Climber“ vom „Schnupperkursabsolventen, der, in hippes Wolfstatzentuch gezwängt, sich gegenüber seiner … Fitness-Studio-Peergroup eine Zeit lang als ‚Freeclimber‘ ausgibt, bevor er nach kurzer Zeit auf den nächsten aus dem Bahnhof der Langeweile in Richtung käufliche Selbstzerstreuung dampfenden Trendzug aufspringt“. Der ist also im Folgenden nicht gemeint.

Nach Aristoteles hat man nicht einfach Tugenden, also positive Charakterzüge, oder hat sie eben nicht, sondern man erlernt und verfestigt sie vielmehr durch Ausüben und Wiederholung. Das ist demnach wie mit dem präzisen Treten oder dem weichen Greifen (oder auch dem gelassenen Fahrstil). Jetzt kommen sie, die Tugenden: Kletterer entwickeln nach Paul Charlton[2] Disziplin, Selbstständigkeit und Courage und werden dadurch zu besseren Menschen. Deswegen sollten wir möglichst viel klettern und andere zum Klettern verführen.

Tugend ist natürlich nicht der einzige Grund. Brian Treanor[2] meint dazu: „Wir sollten klettern wegen der körperlichen und geistigen Herausforderung, wegen der schönen Gegenden, die man dafür aufsucht, wegen der tiefen Freundschaften, die dabei entstehen können, und dem Vergnügen …“ Ein ganz besonderer Teil dieses Vergnügens ist für mich persönlich die „zwanglose Meditation“, die insbesondere mit dem Vorsteigen verbunden ist. Hans Florine[2] spricht da von der „physischen Meditation“, die jeder von uns kennt, der einmal hoch konzentriert unterhalb der Schwelle zur Angst oberhalb der letzten Sicherung seinen Körper für den nächsten Zug positioniert hat. Da denkt nicht mehr nur der Kopf, da arbeitet nicht mehr nur der Körper, sondern da werden wir für einige Momente eins mit uns und unserer Umgebung, ganz im Hier und Jetzt. Und das alles, ohne jahrelang Meditationstechniken geübt zu haben. Diese Art der Meditation nenne ich gerne „zwanglos“, weil der Zustand sich von selbst einstellt, man muss nur losgehen …

Bericht

Wir brauchten lange für den Weg durch die Direkte Südwand auf den Grand Pic de La Meije und zurück über den Normalweg. Aber ich fang mit dem Bericht mal vorne an.

Martin traf ich 2010 im Bergell. Er machte mit seinem Bruder, umgeben von zahlreichen wirklich guten Sportkletterrouten, traditionell abgesicherte Routen auf unbedeutende Gipfel, weil er das lernen wollte und Spaß daran hatte. Das hat mich beeindruckt! Zwei Jahre später verabredeten wir uns für die Realisierung meines alten Traumes, „Schwalbenschwanz“ durch die Marmolada-Südwand. Wetterbedingt landeten wir dann in der Dauphiné und bewährten uns dort als Team. Wir machten  mit viel Freude schnell und sicher alpine Routen und Sportkletterrouten. 2013 waren wir dann auch an der Marmolada erfolgreich und stellten dort fest, dass wir uns aufeinander verlassen können, auch wenn es mal eng wird. Martin fand vom klassischen Bergsteigen (zig 4.000er in den Alpen) über Winterdurchquerungen der kanadischen Rockies, der Besteigung des Denali (21 Tage im selben Polyestershirt!) und Touren im Himalaya zum Felsklettern („Ist nicht so eintönig.“). Solobegehungen von Piz Badile Nordkante und Matterhorn Hörnligrat stehen in seinem Tourenbuch. Mit Hilfe von Bergführern entwickelte er seine Fähigkeiten im Mixed- und Wasserfallklettern. Martin hat einen wirklich selten zu findenden Blick für strategische Fragen. Da kann ich was von lernen. Jetzt kommt eine Message:

Warum nicht mal zur Verbesserung seiner Fähigkeiten einen Risskurs buchen oder für die Traumtour einen Bergführer bezahlen? Das erspart Umwege und Sackgassen!

Unser Plan A für 2015 war wieder die Marmolada-Südwand, wo wir mit der „Vinatzer-Messner“ im Vergleich zu 2013 noch eins drauf legen wollten („Lass uns mal wieder ‘ne Eingehtour zusammen machen!“). Die großzügigen, cleanen Risse im kompakten Granit des Val die Mello (Bergell) waren unser Plan B, und Plan C war die „Aurore Nucléaire“ in der Nordwand des Pic Sans Nom im Ostteil der Dauphiné.

Drei Tage vor der Abreise wird klar, dass in den Dolomiten wettermäßig nix geht, und Val di Mello war uns dann doch nicht alpin genug. Also Dauphiné! Am Tag der Abreise zeigt sich, dass das Wetter in den Alpen zunächst schlecht wird. So verschieben wir die Anreise und nutzen die Sonne in Deutschland: In Ettringen klemmen wir zwei Tage lang cleane Risse. Den Regentag (Montag) verbringen wir gemütlich im Auto auf dem Weg in die Dauphiné. Unsere geschundenen Finger und Arme genießen die Pause!

Der Niederschlag fiel in den Bergen bis herunter auf 2500m als Schnee und so bleiben uns „nur“ die Südwände in der Dauphiné. Plan D (bisher noch gar nicht erwähnt): Die Direkte Südwand auf den Grand Pic de la Meije (3.983m). Diese Tour ist im Rebuffat-Führer mit den 100 schönsten Touren des Gebiets immerhin an Stelle 92 und stand schon lange auf Martins To-do-Liste. Ich kannte sie bis dahin gar nicht! Den traumschönen Gipfel mit dem charakteristischen quadratischen Gletscherfeld unterhalb des Gipfels („Glacier Carré“) hingegen bestaunte ich schon oft. Aufgrund des komplizierten Abstieges über den Normalweg hat man am Gipfel nur etwas mehr als die Hälfte geschafft und wir müssen Steigeisen und Pickel durch die Wand mitnehmen. Also fahren wir nicht nach Ailefroide, sondern ins westliche Nachbartal nach La Bérarde. Jetzt kommt wieder eine Message:

Vorbereitet sein, kommen lassen, locker in der Birne bleiben und flexibel reagieren. Das kann man von Martin lernen. 

Wir haben zum Glück mehrere Kilo Literatur dabei. Vieles habe ich vorher kopiert, außer – natürlich – die Sachen, die wir brauchen. Also trennen wir die notwendigen Seiten schweren Herzens vorsichtig aus den wertvollen Büchern[3]!

Eier mit Speck in La Bérarde
Topo und Realität

Der Blick aus dem Zelt am nächsten Morgen offenbart blauen Himmel und die beeindruckende verschneite Nordwand der Ailefroide. Da auch in den Südwänden bis herunter auf ca. 2.500 m Schnee liegt, ist klar, dass wir uns unserem Plan D schrittweise annähern werden, um der Sonne Zeit zu lassen, die Wand zu trocknen. Diesmal wird es also tatsächlich Eingehtouren geben! Wir packen und laufen rauf zur Châtelleret-Hütte (2.225 m). Es ist gut, in den Bergen zu sein, wir sind allein und die Sonne scheint. Am Nachmittag klettern wir noch eine Route am Vorbau der Tête Sud du Replat. Nach 90 Minuten liegen die sieben Pläsier-Seillängen von „Ballet sur une Dalle rose“ (VI) unter uns. Schöne Platten, einige Verschneidungen und ein cooler Quergang in der fünften Seillänge.

Pic Nord du Cavales

Um 18.15 Uhr sind wir zurück an der Hütte. Rechtzeitig, um unser Zeug zu sortieren, Bier zu trinken und das gute und reichhaltige Abendessen zu genießen. Diese Hütte besuchte ich 2013 schon mal mit Ina, Vera und Marie. Sie ist eine Reise wert! Leider ist eine der Saiten der Hüttengitarre, die ich damals erneuert hatte, gerissen.

Quergang VII / A1

Am nächsten Morgen starten wir um 7.00 Uhr. Anstrengende 2 Stunden 15 Minuten später stehen wir am Wandfuß der Südwand des Pic Nord des Cavales (3.364 m). Es ist immer noch recht kalt. Zum Glück sind die ersten Seillängen mit IV+ und V+ relativ leicht. Die dritte beginnt mit einer 15-Meter-Traverse. Martin kämpft erst, lässt dann aber die Rotpunkt-Ambitionen fallen, hangelt sich von Bolt zu Bolt und überwindet mit Hilfe einer Trittschlinge und einigen akrobatischen Zügen das Dach. „Even that is a part of the game!” Unsere Bewertung: VII/A1. Am nächsten Stand scheint endlich die Sonne und unsere Bewegungen werden flüssiger. Es gibt viel mehr Haken als gedacht, so bleiben die meisten Friends am Gurt. Wir fühlen uns sicher und es geht zügig aufwärts. Nach 13 SL erreichen wir den Gipfel der schönen Pyramide. Was ist nicht schon alles gesagt worden zum Gipfelblick und der Aussicht auf die umgebenden Berge. Ich sach nur „Gippelappel“ … Wir seilen in 90 Minuten ab und laufen zurück zur Hütte.

Den nächsten Tag gehen wir ruhig an. In 2,5 Stunden laufen wir gemütlich zur Promontoire-Hütte (3.100 m), die exponiert auf dem Südwestgrat der Meije installiert ist. Martin war schon oft in diesem Gebiet und träumt seit Jahren von der Direkten Südwand. Aber nie waren die Bedingungen okay oder er hatte nicht den richtigen Kletterpartner dabei. Wir fühlen uns gut und stark, sind aufgeregt und zuversichtlich.

Eine gute Mischung, oder?

Die Direkte Südwand (Gesamtbewertung TD-, Kletterschwierigkeit bis VI+) wurde 1935 von Pierre Allain im zweiten Versuch erstbegangen. 
Als wir auf die Terrasse poltern, bereiten Frédi und Nathalie, die besten Hüttenwirte der Welt, gerade frisches Gemüse (!) für das Abendessen vor. 32 Personen sind heute zu versorgen. Wir wollen noch die Abseilstelle auf den Gletscherzustieg und die letzten Meter des Rückweges checken, aber da entdecke ich die funktionsfähige Hüttengitarre, also muss Martin alleine checken: Mit Blick auf die Berge um, über und unter mir spiele ich in der warmen Sonne meine Lieder, soweit es mit den abgekletterten Fingern noch klappt. Andere Gäste hören zufrieden zu und beschweren sich nicht. 

Himmel!

Unsere Route ist von der Hütte aus größtenteils einsehbar. Sie sieht großartig aus: 900 m durch honigfarbenen, roten und gelben Granit. Schon während des Aufstiegs zur Hütte haben wir immer wieder angehalten und mit dem Topo in der Hand die Wand studiert. Von der Terrasse aus entdecken wir mit dem starken Hüttenfernglas immer mehr Strukturen und sogar Seilschaften in der Wand. Wir besprechen den Routenverlauf und finden Begriffe für einzelne Passagen („Vor dem großen Quader müssen wir links queren …“), die uns in der Wand später Sicherheit bieten („Jetzt sind wir unterhalb des großen Quaders …“). Frédi und Nathalie sind sehr hilfsbereit und geben geduldig Auskunft. Wie oft müssen sie diese immer gleichen Fragen schon gehört haben! Langsam aber sicher bauen sich fast alle Informationen zu einem Bild zusammen. Im Topo ist von einem „Râteau Chèvre“ die Rede und wir sind gespannt, was das wohl ist. 
Am Abend geht Frédi mit so einem trüben Zeug durch den Essraum und schenkt jedem etwas ein. Es dauert einen Moment, bis wir das verstehen, zumal ein junger Franzose das Zeug zunächst in Martins Suppenschüssel kellt: Es wird gemeinsam angestoßen! Dann erläutert Frédi das Wetter und die Bedingungen. 
Ich habe so etwas noch nicht erlebt! Ihr kennt das auf der Hütte: Alles Individualisten, diese Bergsteiger; man checkt sich gegenseitig skeptisch ab und betrachtet die jeweils anderen erstmal als Konkurrenten. Frédi schaffte es in dieser Situation, ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen. Den „Spirit of Meije“ eben. Wanderer, Gipfelsammler, Südwandaspiranten, Extremkletterer – alle waren ein gleichberechtigter Teil der Hüttengemeinschaft. Das war später am Berg hilfreich! Jeder von uns 32 Gästen weiß anschließend, wer was am nächsten Tag vorhat. Frédi regt an, dass wir uns mit den drei weiteren Seilschaften, die morgen auch in die Pierre-Allain einsteigen, abstimmen. Wir wollen in der Wand unsere Ruhe und da die Jungs alle einen topfitten Eindruck machen und richtig früh los wollen, entscheiden wir uns dazu, als letzte Seilschaft einzusteigen. 
Um 23:00 Uhr kommt noch ein spanischer Bergführer mit einem US-amerikanischen Gast abgekämpft in die Hütte. Sie haben heute die Pierre-Allain gemacht und werden mit Applaus empfangen. 

Gänsehaut!

Am nächsten Morgen frühstücken wir um 4.45 Uhr und verlassen die Hütte um 5.45 Uhr. Wir treffen das Vater-Sohn-Team an der von Martin vorher gecheckten Abseilstelle. Nicht zum letzten Mal heute müssen wir warten. Aber wir fühlen uns gut, haben genug Zeit und die Wettervorhersage ist perfekt. So sehen wir keinen Grund zu drängeln. Spontan entscheiden wir, doch nur einen Leichtpickel mitzunehmen und lassen den zweiten Pickel an der Abseilstelle zurück. Um 7.30 Uhr liegt das steile Firnfeld unter uns. Wir verstauen Steigeisen und Bergschuhe in den Rucksäcken und klettern los. Rechts von uns sehen wir eine Seilschaft in einer steilen „Variante“. Die haben sich offenbar verklettert, schon in der ersten Seillänge!

Die prächtige Südwand mit Topo

Wir sichern erst und passieren anschließend die flache Passage, die zum Beginn der steilen Hauptwand führt, gleichzeitig am langen Seil kletternd. Dazu verkürzen wir das Seil auf ca. 30 m und versuchen, mindestens eine Sicherung zwischen uns zu haben. Der Fels fühlt sich perfekt an. Heute ist der Meije-Südwand-Tag, zusammen mit Martin in einer großen Wand. 

Geil!

Wir kommen zügig voran und um 9.00 Uhr sind wir am Beginn der Hauptschwierigkeiten. Wir klettern immer wieder Passagen bis ca. zum vierten Grad gemeinsam und fühlen uns dabei sicher. Wir treffen andere Seilschaften, alle sind entspannt. Eines der Dinge, die wir uns aus dem Topo eingeprägt hatten, ist: „Den grünen Kamin rechtzeitig nach links verlassen um die nasse, überhängende und schwierige Passage (VII-) zu umgehen.“ Jetzt stehen wir hier im schleimigen, kalten Kamin und amüsierten uns über uns selbst: „Navi kaputt!“ Da unten hätten wir den Kamin nach links verlassen sollen….! „Es hilft ja nix, wir müssen da hoch!“[4]. Wir ziehen uns und die Rucksäcke an den rostigen Haken und morschen Schlingen die steile Passage hoch und sind bald schon wieder an der Sonne. Gar nicht so schlimm, der direkte Kamin! Dann erreichen wir die „Vire Bicyclette“. Wir stehen auf dem großen Band und entdecken weit und breit kein Bicyclette! Gestern hatten wir mit dem Fernglas eine Seilschaft beobachtet, die hier zunächst nicht den richtigen Weg nahm. Auch unsere Kollegen in der Wand suchen zu weit rechts. Wir gehen es beherzt an und erreichen nach ein paar steilen, nicht absicherbaren Metern (ca. VI+) wieder leichteres Gelände. An einer Nische gibt es später wieder richtig Stau. Der weitere Routenverlauf wird diskutiert. Wir wissen, dass es hier nicht geradeaus durch einen steilen Riss geht (Verhauerhaken), sondern sehr luftig nach rechts zu dem „Râteau Chèvre“. Das bedeutet übersetzt „Ziegenkamm“, also die Verdickung an der Hinterseite des Halses, gemeint ist damit so etwas wie eine Hangelschuppe. Die Stelle erweist sich als kühn und ausgesetzt, aber griffig und gut abzusichern. Es wird flacher und leichter. Wir wechseln wieder den Modus und gehen am verkürzten Seil gemeinsam bis zur Schulter. Zum ersten Mal können wir hier den Glacier Carré von oben sehen. Sieht verdammt steil aus das Ding! Es sind noch 5 SL bis zum Gipfel, den wir um 16.00 Uhr erreichen.

Glücklich!

„Das kann uns keiner mehr nehmen!“, sagt Martin. Recht hat er. Coole Aussicht zur Barre des Ecrins im Südwesten und La Grave im Norden und zum Mont Blanc am Horizont und, und, und …

In der Südwand. Fester Granit


Nach dem obligatorischen Gippelappel und den letzten Schlucken aus der Flasche geht es an den komplizierten Abstieg. Ich erspare euch auch hier die Details. Wer die Tour machen will, schaut hier nach: http://nexus-climbing.blogspot.nl/ oder setzt sich mit mir in Verbindung. Anhand des guten Topos von Jean-Michel Cambon (der „Schinkenmann“) [5] und unserer Fotos können viele Details geklärt werden. Die aktuellen Bedingungen lassen sich der tollen Website der Promontoire-Hütte entnehmen. Die beiden Seilschaften vor uns haben ein „Abseilsystem“, mit dem sie zwar sicher abwärts kommen, aber leider nur im
 S c h n e c k e n t e m p o. Also heißt es warten … Wir bilden mit zwei jungen Franzosen aus Aix-en-Provence, Nicolas und Maxime, ein Abseilteam, um Zeit zu sparen. In der Wand hatten wir uns schon mit ihnen angefreundet. Noch wissen wir nicht, dass wir insgesamt 19 Mal abseilen müssen bis wir an der Hütte stehen. Am Glacier Carré wechseln wird die Schuhe, queren zunächst an der oberen Kante des Gletschers und seilen dann am linken Rand über das Eis ab. Dann rüber, weiter runter, rüber und so weiter. Nicolas und Maxime sind supernett und lustig, aber leider auch mit der Tour schon länger überfordert. Martin geht vor, Nicolas und Maxime zwischen uns, und ich ziehe die Seile ab, die von den beiden aufgenommen und nach unten gebracht werden. Wir warten viel und können nix anderes machen, als Ruhe zu bewahren und die Aussicht zu genießen. Ich sehe zwei Adler auf Augenhöhe kreisen.

Majestätisch!

Martin und ich sehen uns nur selten, aber uns wird klar, dass wir in die Nacht kommen werden. Wir verabreden schnell, im Zweifel besser ein Notbiwak einzulegen, als ohne Orientierung weiterzumachen. Vor dem Hintergrund des Schlotterbiwaks an der Marmolada 2013 sehen wir dem gelassen entgegen. Kein Sturm, kein Regen, keine Kälte und, jaaa:

Vollmond!

Nicolas hatte beim Aufstieg seine Stirnlampe zerdeppert und orientiert sich mit dem LED-Licht seines alten Handys. Dazu hält er es beim Abseilen zwischen den Zähnen. Respekt! Gut, dass er kein großes Smartphone hat! Nach einer Querung findet Martin nach einigem Suchen endlich die entscheidende Abseilstelle. Also doch kein Biwak! Wir seilen ab, ziehen ab, nehmen auf, klettern wieder, seilen wieder ab und irgendwann stehen wir auf dem Lichtgitterrost der Hüttenterrasse. 

Yeah!

Martin holt noch den zurückgelassenen Pickel von der Abseilstelle. In der Hütte fragt Frédi auch ihn grinsend: „And? How was it?” und Martin antwortet genau wie ich kurz zuvor: „Oh yeah, it was a great day in the mountains!“
Wir nehmen erst mal ein Bier und „Ääh, ja, was zu essen wär super!“ Frédi bringt Suppe mit Brot; wir sind so zufrieden damit. Dann kommt er noch mal aus der Küche und bringt Pasta mit Soße und dann gibt's noch Nachspeise und noch mal Bier. 

Danke, Frédi!

Irgendwann macht er das Licht aus, lässt uns mit den Stirnlampen im Gastraum sitzen und bedeutet uns zum zehnten Mal milde lächelnd, leiser zu sein. Ja, machen wir. Eine Stunde später falle ich irgendwo im Lager in eine Lücke und schlafe wie ein Stein.

Am nächsten Morgen um 7.00 Uhr gibt’s Kaffee, wir packen unsere Sachen (Martin nimmt zur Schonung meiner Knie fast die ganze Ausrüstung!) und schlendern runter nach La Bérarde. 

Ja, ja, die Berge

können glücklich machen.

Schon wieder eine Message: Du willst alpin klettern und suchst eine lange sonnige Route in exzellentem Fels? Geh los und klettere diese Wand!

Text: Andreas Dülberg
Bilder: A. Dülberg & Martin

Literatur:

[1]:     Brunnert, Peter: Die spinnen die Sachsen!  Geoquest-Verlag Halle, 2010
[2]:     Schmid, Stephen E.; Reichenbach, Peter (Hg.): Die Philosophie des Kletterns, Mairisch Verlag, 2014
[3]     Topoguide Kletterführer Alpen Bd. I bis III, Topoguide Verlag; „The new holy bible of the german climbers.“ (unbekannter Bergsteiger).  {Die dürfen in keinem Kletterer-Bücherschrank fehlen, die besten Topos der Welt!}
[4]:     Brunnert, Peter: Wir müssen da hoch, Panico Alpinverlag, 2010
[5]:     Cambon, Jean-Michel: Oisans nouveau Oisans sauvage: Livre Ouest, Verlag Jean-Michel-Cambon, 2007 {Im Kletterer-Slang wird der Autor „Jambon“ bzw. der Führer gerne kurz als „Der Schinkenmann“ bezeichnet. Keine Ahnung, warum ;-) 

 

Kategorie:
Klettern



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