Norwegens Grand Canyon
Entlang eines alten Handelsweges führte ein Teil der diesjährigen Norwegenwanderung mit spektakulären Landschaften bei Bilderbuchwetter. Was will man mehr?
Was für eine Aussicht – nass, kalt, trüb und grau empfing mich Finse, der Start unserer siebentägigen Wanderung durch das Aurlandsdalen. Gudrun und Oliver, eingemummelt in Regenkleidung, erwarteten mich an der Bahnstation und das Wiedersehen mit ihnen hellte meine Stimmung auf. Es kann ja nur besser werden – mit diesem Gedanken schlief ich ein.
Der nächste Morgen brachte dann die Überraschung – einen strahlend blauen, wolkenlosen Himmel. Klar spiegelten sich die Zungen des Hardangerjökulen-Gletschers im Finsevatnet-See. Selbst die kleine Ortschaft Finse mit einem Hotel, einer Handvoll Steinhäusern und drei Schotterstraßen sah an diesem Morgen richtig idyllisch aus. Jetzt konnten wir mit der Wanderung beginnen.
Diese führte uns zunächst von der Finsehütte zur Geitery-Hütte, natürlich nicht ohne einen Abstecher auf den 1695 m hohen Sankt Pal, denn bei klarer Sicht lohnt sich der Gipfel. Und wir wurden reichlich belohnt – mit fantastischen Blicken auf den Hardangerjökulen und auf die durch Gestein und Schnee schwarz-weiß gemusterte Hochtallandschaft bis hin zu den in weiter Ferne sichtbaren Gebirgsketten.
Die Wanderroute führte weiter über die Kongshelleren-Hütte, die einzige Selbstversorgerhütte, zur Steinbergdalen-Hütte und schließlich zur Osterbo-Touristhütte, unserem Ziel.
Auf anthrazitfarbenen Geröllpfaden wanderten wir durch eine unwirtlich erscheinende Natur mit saphirblauen Gletscherseen und leuchtend grünen Moosflächen. Wir überquerten Dauerschneefelder und passierten etliche Bäche – mal über Brücken, mal balancierend von Stein zu Stein. Ab der Kongshelleren-Hütte führte unser Weg beständig bergab. Die Geröllfelder wichen Wiesen, es ging über Hänge, Felsplatten und durch Nassstellen. Vorbei an steilen Felswänden wanderten wir weiter mit Blick aufs Stemmerdalen, durchquerten das lieblich grüne Sauvadalen und erreichten schließlich den Aurdalsvatnet an dessen Ufer Osterbo liegt.
Doch die spektakulärste Etappe dieser Wanderung führte durch Norwegens „Grand Canyon“ und zwar von Osterbo nach Vassbygdi. Die Tour ist Teil eines alten Handelsweges zwischen Ost und West und startet gemächlich um den Aurdalsvatnet. Dort begann dann das Abenteuer mit holprigen Trails, Serpentinen und Pfaden durch senkrechte Felswände, fast immer mit Blick auf das dramatische Flusstal. Verlaufen war quasi unmöglich. Steile Abstiege, tiefe Schluchten und Panoramaaussichten, kleine Bäche, mächtige Wasserfälle, seltene Flora und verlassene Höfe machten diese Etappe zu einem Natur- und Kulturerlebnis.
Während der gesamten siebentägigen Wanderung hatten wir Bilderbuchwetter: blauer Himmel mit Schäfchenwolken und Temperaturen um die 25 °C. Dieses I-Tüpfelchen machte unsere wunderschöne und abwechslungsreiche Tour für mich zu einem unvergesslichen Erlebnis. Dazu gehörte auch nicht zuletzt das Badevergnügen in den Gletscherseen.
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