Patagonien und Feuerland - Trekking am anderen Ende der Welt

26. Februar 2016 - 13. März 2016
Luzia Duijts


Man hatte uns gewarnt: vor dem patagonischen Wind, dem patagonischen Regen, dem patagonischen Nebel.

Nach fast dreiunddreißig Stunden Anreise erreichten wir (mein Mann Gerd, Hilde, eine Kletterfreundin, und ich) endlich El Calafate, einen Ort, der vollkommen unbekannt und noch viel kleiner wäre, wenn er nicht am Rande des Nationalparks Los Glaciares im Süden Argentiniens liegen würde. Cerro Torre und Fitz Roy waren unsere Sehnsuchtsziele. Wir wollten diese Berge unbedingt sehen und bereits auf der Fahrt nach El Chaltén, dem Ausgangsort unseres viertägigen Trekkings, konnten wir sie bei blauem Himmel bestaunen.

Anfahrt zum Nationalpark Los Glaciares

Der Sonnenschein blieb und das war auch gut so, denn über eine argentinische Trekkingagentur waren wir in kleinen Zweipersonenzelten in einem Waldcamp ohne sanitäre Einrichtungen untergebracht. Am „Beach“, wie die Jungs aus dem Camp das Bachufer nannten, konnten wir uns waschen. Seife zu benutzen war verboten und jeglicher Müll musste wieder mit heruntergebracht werden. Entsprechend ausführlich fiel die Körperpflege aus. Dank dieser konsequenten Auflagen jedoch kann überall in diesem Gebiet das Wasser aus den Bächen getrunken werden und nirgendwo ist Unrat zu sehen. Dafür aber unberührte Natur, der Blick auf faszinierende Berge, Gletscher und Seen. Einige Mitglieder unserer Gruppe hatten sogar das Glück, einen Puma zu sehen. Nur … Einsamkeit hatten wir uns anders vorgestellt. Auf den Wanderwegen war der Teufel los und unser Guide versicherte uns, dass jetzt schon die Nebensaison begonnen hätte. Da fährt man ans andere Ende der Welt und alle anderen sind schon da ...

Drei weitere Trekkingtage mit anstrengenden, über achtstündigen Touren lagen vor uns. Und? Strahlender Sonnenschein am ehemaligen Fitz Roy Basecamp, an der Laguna de los Tres, am Fuße des Cerro Torre und auf einem Aussichtsberg, der uns beide Gipfel als Panoramablick bescherte. Die Abende waren kurzweilig. In der nach den Wanderungen noch verbleibenden Zeit widmeten wir uns ausgiebig dem guten Essen und dem Kennenlernen innerhalb der internationalen Gruppe. Dabei ergaben sich spaßige Gespräche. Die deutschen Mitglieder ließen sich zum Thema „viertel neun“ aus. So erfuhren wir, dass unsere bayerische Mitreisende um 9.15 Uhr erscheinen würde, unser ostdeutsches Pärchen dagegen schon um 8.15 Uhr. Die Österreicher und Schweizer gaben ihre Sicht der Dinge zum Besten, die Amerikaner und die Russin fragten sich wohl, worum es gerade geht, und der argentinisch-deutsche, in Griechenland aufgewachsene Reiseleiter bemerkte nur lapidar: „Und dann kommt nachher jeder, wann er will.“

Was für uns neben den Trekkingtouren lediglich als „ein weiterer Programmpunkt“ ausgeschrieben war, sollte als absolutes Highlight im Gedächtnis bleiben. Der dreißig Kilometer lange und fünf Kilometer breite Perito-Moreno-Gletscher bot einen fantastischen Anblick. Er gehört zu den wenigen Gletschern dieser Welt, die noch wachsen. Sechzig Meter hohe Eiswände erheben sich aus dem Lago Argentino und wir konnten dem Kalben zusehen. Mit ohrenbetäubendem Dröhnen brechen Platten von der sich vorschiebenden Eismasse ab und krachen in den See. Minute um Minute klebt man förmlich auf der Aussichtsbrücke fest, wartet, dass „es“ endlich passiert und – verpasst fast den Bus.

Aussichtsplattform mit Blick auf den Perito-Moreno-Gletscher

Am nächsten Morgen mussten wir zeitig los. Unsere Fahrt führte uns durch die patagonische Steppe zum chilenischen Nationalpark Torres del Paine. Viele Reisende müssen unverrichteter Dinge wieder zurückkehren, weil die Torres einen Großteil des Jahres in den Wolken hängen. Auch hier hatten wir Glück. Bereits bei der Einfahrt in den Nationalpark konnten wir die Türme sehen. Perfekte Bilder mit wechselnden Statisten: wundervolle Wolkenformationen, Wasserfälle, Guanakos, Nandus, Kondore und Gauchos, die Pferdeherden vor sich hertrieben. Der nächste Tag wurde noch besser. Bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein gelangten wir zum Torres del Paine Basecamp und der Blick belohnte uns für die insgesamt fast neunstündige Tour.

Torres del Paine Basecamp

Über den türkisfarbenen Lago Pehoe erreichten wir am Folgetag unser Zeltcamp mit Blick auf den Paine Grande und die Cuernos, die Hörner. Unser Guide versprach uns eine „nicht so anstrengende“ Wanderung, eben „patagonisch flach“. Das sollte bis zum Ende der Reise unser Lieblingswort werden, denn wir merkten auf unserer vorletzten Wanderung im Nationalpark, dass alles relativ ist. Stunde um Stunde, auf und ab liefen wir über steiniges, unwegsames Gelände zum Aussichtspunkt und dort geschah es dann tatsächlich: patagonischer Regen, Wind und Nebel. Während des nicht enden wollenden Rückwegs hörte man des Öfteren unser neues Lieblingswort.

Bevor wir nach Puerto Natales wechselten, machten wir noch eine „kurze“ Wanderung, natürlich wieder „patagonisch flach“, zu einem Aussichtspunkt, der einen beeindruckenden Blick auf den Gletscher Grey, den gleichnamigen See und die schnee- und eisbedeckten Berge im Hintergrund bot. Ein kalter Wind blies uns um die Nase. Hier spürte man die Nähe zum südpatagonischen Eisfeld, das zusammen mit dem nordpatagonischen eine Fläche von 22.000 km2  bildet und nach der Antarktis und Grönland das drittgrößte zusammenhängende Eisfeld der Welt bildet.

Am Ortseingang von Puerto Natales fiel uns eine ungefähr vier Meter hohe Statue auf. Wir trauten unseren Augen nicht, denn sie sah aus wie ein riesiges Faultier. Unser Reiseleiter bestätigte unseren Eindruck und die Frage, was es mit diesem Riesenfaultier auf sich hätte, beantwortete er mit folgenden Worten: „Zu Ehren des Bürgermeisters.“ Mit der Historie hatte der aber nun wirklich nichts zu tun. Das Mylodon war ein dreieinhalb bis vier Meter großes bodenlebendes Riesenfaultier. Überreste wurden am Ende des 19. Jahrhunderts in einer Höhle nordwestlich von Puerto Natales gefunden. Die jüngsten Überreste werden auf 8.500 Jahre geschätzt.

Mythos Feuerland. Da waren wir nun, angekommen in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Die Südspitze Feuerlands liegt noch 1500 Kilometer südlicher als Neuseeland und uns trennten nur noch 1000 Kilometer von der Antarktis. Zuvor überquerten wir die Magellanstraße und legten etliche Kilometer auf Schotterpisten zurück, um unser Nachtquartier, eine Estancia, zu erreichen. Dort erhielten wir einen Einblick ins Farmerleben früher und heute und nahmen abends an einem typischen Lamm-Asado teil, bei dem das Tier mehrere Stunden über einem Lagerfeuer gegrillt wird.

Die südlichste Stadt der Welt

Feuerland hatten wir uns flach vorgestellt, doch die Steppenlandschaft veränderte sich mit jedem Kilometer, den wir südwärts reisten. Der Blick auf die Karte zeigte uns, dass die Südkordillere der Anden bis nach Feuerland reicht und so erklärt sich, dass Ushuaia von schneebedeckten Bergen umgeben ist, was einen reizvollen Kontrast zur Lage am Wasser bildet. Eine Küstenwanderung im Nationalpark Tierra del Fuego führte uns durch Lenga-Wälder mit silbrig schimmernden, vom Wind verformten und von Flechten überzogenen Südbuchen.

Am nächsten Vormittag bekamen wir ein weiteres Mal das patagonische Wetter zu spüren. Auf dem Programm stand ein Ausflug auf dem Beagle-Kanal, der wegen des aufziehenden Sturmes kurzfristig ausfallen musste. Auf meterhohe Wellen hätte auch niemand Lust gehabt. Bereits am Nachmittag beruhigte sich das Wetter und wir setzten mit einem Zodiac-Schlauchboot nach Martillo Island über. Die Insel beherbergt große Kolonien von Magellan-Pinguinen und auch einige Königspinguine sind dort zu finden. Behutsam und ergriffen näherten wir uns den Tieren, die von uns allerdings keine große Notiz nahmen. Wir fotografierten und fotografierten.

Schon jetzt steht fest, dass der Wandkalender fürs Jahr 2017 ein Patagonien-Feuerland-Kalender werden wird, mit vielen, vielen Landschaftsaufnahmen und noch mehr Fotos von Pinguinen. Alle mit blauem Himmel und Sonnenschein. Die wenigen Schlechtwetterbilder lassen wir einfach weg.

 

Fotos: Gerd Althoff und Luzia Duijts

 

 

Kategorie:
Wandern



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